PokerfaceWas hat das denn mit Stimme-Klang-Haltung zu tun, werden sich jetzt manche fragen. Ein Pokerface ist doch sozusagen ein Neutrum in der Ausdruckspalette. Nun ja, nach außen hin mag das schon stimmen… „doch wie’s da drin aussieht, geht niemand was an“. Und da drinnen geht es mit Sicherheit oft hoch her.

Deshalb nochmal zur Bestätigung: Zur Rubrik „Stimme-Klang-Haltung“ gehört auch das Pokerface als mimisches Ausdrucksmittel. Oder vielleicht besser gesagt „Nichtausdrucks-Mittel“. Denn der, der ein Pokerface aufsetzt, will eben nicht, dass man auch nur eine klitzekleine Gefühlsregung in seinem Gesicht lesen kann.

Wie der Name schon sagt, kommt der Begriff vom Pokern. Aber er wird auch bei anderen Kartenspielen angewandt. Ich habe z. B. gern Doppelkopf gespielt und spiele es immer noch sehr gern, wenn sich die Gelegenheit bietet. Auch hier ist es von Vorteil, wenn man ein möglichst „ehrliches“ Pokerface aufsetzt. Damit wiegt man das gegnerische Paar in trügerischer Sicherheit.

Mit einem „ehrlichen“ Pokerface meine ich, dass man nicht versucht, in eine Rolle zu schlüpfen, sondern wirklich emotionslos wirkt. Seine Sinne beherrschen ist gefragt und nicht irgendwas vorspielen.

Wie hilfreich kann eine teilnahmslose Miene sein?

Ein Pokerface soll den „Gegner“ ja auf eine falsche Fährte locken. Also schaue ich möglichst unbeteiligt, und das wiederum absolut glaubwürdig. Der andere soll nicht wissen, was unter der knöchernen Substanz, die man Schädel nennt, vorgeht. Oder in dem Muskel hinter dem Brustbein. Er soll es nicht einmal erahnen. Im Grunde ist das Schauspielerei par excellence.

Dieses Pokerface ist ganz sicher in vielen Situationen hilfreich. Im Business-Bereich z. B. bei einem Meeting, bei wichtigen Verhandlungen, in denen es um wichtige Entscheidungen geht. Oder bei einem Gespräch mit dem Vorgesetzten, in dem es z. B. um eine selbstbewusste Forderung einer Gehaltserhöhung geht.

Kinder üben es permanent, wenn sie etwas angestellt haben. Ein regungsloser Blick sagt, dass man das doch gar nicht gewesen sein kann.

Tiere sind ebenso hervorragende Lehrmeister in diesem Punkt. Oder würden Sie von alleine drauf kommen, dass gerade Ihr Hund Ihren Lieblingsschuh zerbissen hat? Liegt er doch so brav in einer ganz anderen Ecke der Wohnung und schaut gelangweilt in eine völlig andere Richtung …

Ja und im privaten Bereich braucht es manchmal auch enorme Fähigkeiten, ein ausdrucksloses Gesicht aufzusetzen. Will jemand einem anderen um keinen Preis seine Gefühle zeigen, egal ob zu- oder abneigender Art, benötigt man schon eine gute Portion Willensstärke, um seine Fassade nicht bröckeln zu lassen.

Und auch sogenannte „starke“ Frauen benutzen immer wieder das Pokerface. Denn sie dürfen sich ja nach außen hin keine Schwächen erlauben, sonst werden sie vielleicht als zickig oder schwach eingestuft. Zumindest ist das die gängige Meinung, wenn Frauen mal etwas empfindlicher reagieren oder manche Dinge hinterfragen. Geheult wird nur auf der Toilette, wie es eine renommierte Ex-Managerin in einem Spiegel-Interview beschrieb.

Vielleicht sollte man dann doch Pokern lernen, denn hier kommt es wohl klar darauf an, den Charakter des Gegenübers zu studieren und anhand dessen seine Taktik zu erraten. Der Pokerprofi und Pilot „Eddy“ Scharf hat dazu ein aufschlussreiches Interview in der Karrierebibel gegeben. Das bedeutet, sich selbst ein Pokerface zuzulegen, damit der andere den eigenen Charakter nicht erkennt. Hhmm … Irgendwie klingt es stressig.

Ein Pokerface erfordert eiserne Disziplin

Heißt aber auch, wer seine Regungen beherrscht, kann wunderbar bluffen (was wir derzeit an vielen Politikern erkennen können). Er beherrscht durch Disziplin seine Gefühle, fördert sie aber bei anderen Menschen zutage.

Ja, eine teilnahmslose Miene muss man sich erarbeiten, im wahrsten Sinn des Wortes. Denn man muss an sich arbeiten. Es hilft einem durch gezieltes Training sicher auch bei Selbstzweifel, wenn man im Business eigene Ideen durchsetzen möchte. Wenn man eine besondere Vorstellung, mehr Gehalt oder als Unternehmer einen wichtigen Kunden gewinnen möchte. Geeignet auch für Spitzen-Verkäufer.

Diese Disziplin erfordert, dass ich meinen Körper absolut kontrollieren kann. Augenbewegungen, Hände, Arme, wenn man steht, wie man steht und eben auch den Atem.

Was aber die Frage aufwirft, ob vorhandene Selbstzweifel dadurch ausgelöscht werden. Nein, ganz sicher nicht, sie werden nur einbetoniert. Tief im Inneren werden sie weiterschwelen. Ausgelöscht können sie nur werden durch echte eigene Akzeptanz und Selbstliebe.

Ein Pokerface hilft also nicht, den eigenen Charakter zu verbessern, aber es hilft einem, sich in manchen Situationen einen Vorteil zu verschaffen. Man hat die Kontrolle über sich selbst und damit häufig auch über andere.

Ein so selbstkontrollierter Mensch hat ohne Zweifel viele Pluspunkte aufzuweisen:

– besserer Umgang mit Kunden, mit Mitmenschen allgemein;
– er kann sein Gegenüber besser einschätzen, weil er – auch durch Atembeherrschung – ruhig bleibt und seine Taktik beibehält;
– etwaige Aggressionen werden kontrollierbar und er behält auch bei schwierigen Situationen/Verhandlungen einen kühlen Kopf;
– er ist nicht einschätzbar und übt deshalb eine gewisse Faszination aus, wirkt zuweilen geheimnisvoll;
– er wirkt souverän und deshalb anziehend auf Menschen.

Wie alles hat auch das für mich zwei Seiten.

Die Frage stellt sich dabei: Wenn man sich allzu häufig ein Pokerface zulegt, versteinert da nicht auch jegliche Emotion mit der Zeit? Denn diese Selbstbeherrschung bedingt ja, dass man seine Gefühle runterfährt. Regungen unterlässt. Und wie jedes Training geht auch das mit der Zeit in Fleisch und Blut über.

Doch sind Emotionen und Gefühle nicht das, was „Leben“ ausmacht und vor allem auch bedeutet?